«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

6/15/2013

manche wollen es einfach nicht verstehen


'La Création du monde 1923 - 2012' © Mathieu Rousseau
tanzen ist, nach seinem namen suchen, meinte heute der kongolesische choreograph faustin linyekula sehr richtig und sehr bewegend im gespräch zu seinem zur eröffnung des tanzkongresses vergangene woche in düsseldorf aufgeführten stücks la création du monde, in zusammenarbeit mit dem ccn - ballet de lorraine.
der tanzkongress fand nach seiner wiederbelebung 2006, nach berlin und nach hamburg, zum dritten mal statt, in düsseldorf im tanzhaus nrw. tanz wird nicht nur getanzt, bewegt, sondern auch fortentwickelt, untersucht und experimentiert und auch gedacht. man macht neue, überraschende und schöne bekanntschaften, tauscht sich aus, traut sich und springt.
den anfang machten die performer von ligna, die zu einem großen opening flash mop vor dem düsseldorfer schauspielhaus aufriefen. über ein kleines radio und ohrstöpsel bekamen die teilnehmer ihre instruktionen, die teilweise etwas an klangstudio und entspannungsmethodik denken ließen und die entstehung der "tanz-im-freien-raum" wellen erzählten. manche etwas ernsthafter als andere, hat es die gruppe immerhin 1h30 unter sengender hitze ausgehalten. anschließend ging es gleich weiter mit der "entstehung der welt", die der einführende vertretungsredner von bernd neumann mit einem freud'schen versprecher als "erschöpfung der welt" bezeichnete. erschöpfend war es jedoch keinesfalls, im gegenteil. faustin linyekula hat uns mit seiner interpretation der rekonstruktion des stücks von 1923 durch millicent hodson und kenneth archer genau an den punkt gebrahct, an den einen ei gutes stück führen soll, man ist sich dessen, was man gerade gesehen hat, nicht mehr sicher.
hodson und archer entstauben und rekonstruieren alte stücke (wie sie es auch mit le sacre du printemps getan haben), stellen mit ihnen, meiner meinung nach, jedoch keine neuen fragen, lassen die tänzer eher in ihren ausstaffierten kubistischen kostümen allein zurück. faustin linyekulas stück geht weiter, da er selbst weiter geht. es ist in drei teile gegliedert und führt den zuschauer hinters licht, lässt ihn zunächst das stück hinterfragen (warum jetzt der mittelteil mit dem verkleidungstheater? wie hängt das zusammen?), dann sich selbst und zum schluss dann zu erkenntnis gelangen, ohne ihn jedoch zu beschuldigen, wessen sich so mancher kritiker nicht bewusst wurde (das wurde leider auch später in dem enttäuschenden gespräch zwischen jean-luc nancy, claire rousier und linyekula deutlich). la création du monde war ein kolonialherrschaftliches stück und offenbart den naiven, ethnozentristischen blick, den die damaligen créateurs, der schriftsteller blaise cendrars, der komponist darius milhaud, der bildende künstler fernand léger und der choreograph jean börlin mit ihrem "ballet nègre" in doppelter hinsicht auf den afrikanischen kontinent werfen. nancy, rousier und auch einige amerikanische gäste im gleichen alter fühlten sich dafür verantwortlich, bzw. dachten sie, dass linyekula sie angreifen oder beschuldigen würde. diese freude tut er ihnen jedoch nicht, das für ist er nach vielen jahren der recherche viel zu gut über seine materie informiert und überhaupt, geht es hier gar nicht um beschuldigungen. das offenbarte leider eher den glauben von nancy und rousier, immer noch und überall das letzte und einzig wahre wort haben zu können (was sich auch in nancys peinlich worten über die frz. politik äußerte). es war schade, denker oder wissenschaftlicher zu sehen, die sich mit tanz beschäftigen oder von sich behaupten, tanzend zu denken, die so steif und konservativ verstauben.

vor und nach ligna, das ganze war absurd wie bei jacques tati und die bauarbeiter, die an der glasfacade hingen, blickten auch recht fragend drein. 

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