«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

12/10/2011

revolution

wenn man die revolution im theater so wunderbar findet, dann kann schon wieder irgendwas nicht stimmen, oder? dann ist es wieder viel zu "nett" würden viele sagen, aber ich war in der tea begeistert von der inszenierung des stücks ulrike maria stuart von elfriede jelinek im grillo theater in essen (jelinekt erhielt in diesem jahr zudem den mühlheimer dramatikerpreis für ihr stück "winterreise") umso mehr, da ich den anfang des titels nicht mitbekommen hatte und mich auf ein weitaus klassischeres maria stuartdeskes geschehen vorberetet hatte. die schauspieler waren alle überraschend gut und haben jelineks endlos-textpassangen so kraftvoll vorgetragen, dass man zwischendrin mit ihnen die muskeln der bauchdecke anspannte, damit der redefluss nicht zum stocken kommt.
die revolution war meine rettung, wenigstens im theater, denn nach erneut fehlgeschlagenem vernetzungversuch und diversen anderen technischen missgeschicken war ich in genau der richtigen  anarchistischen (plus ou moins) stimmung. eine pause gab es natürlich während des stücks nicht, die revolution kennt keine pause.
die "zeitgenössische" maria stuart und ihre rivalin elisabeth I. sind hier ulrike meinhof und gudrun ensslin. es wird also auch die geschichte der raf nacherzählt, aber nicht zu sehr. gerade so viel, dass sich die erzählung auch noch an die jetztzeit anpasst, zwischen bankenkrise und occupy-bewegung, mit einem schlenker über den warenkonsum (verbildlicht in einem überdimensionalen h&m werbeplakat, von dem aus uns die weißhaarige modeeminenz in gestalt von karl lagerfeld persönlich zum kauf auffordert, oder auch nicht). stark politisch und zum überdenken der eigenen haltung anregend auf der einen seite und dazu mit sehr viel humor und auch improvisatorischem witz. wenn etwa die schauspieler vor der "nicht-pause" mit mänteln den saal verlassen, dass publikum auffordern, mit zu gehen und tatsächlich drei damen der ersten reihe sich erheben. die kinder der revolution suchen nach frischer theorie, marx soll verstauben. andererseits sind ein biografisch nettes "empört euch" oder anleitungen zum guerilla gardening nicht die revolutionsanleitungen, die sie sich erhofft hatten. die ganze alte geschichte wird in einen blauen wascheimer, pardon, gekotzt und weggebracht...
es endet jedoch, zurück zur geschichte, mit dem tod der königinnen und "mütter" im stück. jetzt müssen die kinder sehen, wie sie alleine klar kommen.

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