«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours
Posts mit dem Label vieleben werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label vieleben werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

3/12/2016

There’s no angst anymore.

“I don’t enjoy observing people as much as I used to. Everyone acts like they’re on stage. People used to come to The Village sheepishly. Nobody was sure if they belonged. We didn’t know if we were artists. These days everyone walks around like they’re contributing something. There’s no angst anymore. There’s too much certainty. And that’s a shame. Because all the best art comes from people who feel like they don’t belong. Art is a way of proving your existence. When I was a young man, a person that I respected told me that I was an artist. It was one of the worst things that could have happened to me. I stopped walking into museums or galleries with a sense of awe. I walked in feeling like an ‘artist.’ My arms would be crossed. If I liked a piece, it was ‘good.’ If I didn’t like a piece, it was ‘bad.’ I didn't feel vulnerable anymore. I lost my humility. And that’s when growth stops.”

© Humans of New York

6/23/2015

gelesen und ...

Xu Lizhi war Wanderarbeiter bei der chinesischen Firma Foxconn, wobei Firma vielleicht noch das geschönte Wort ist. Er entschloss sich für ein Leben in der Stadt, zog fort und hin und jeder Schritt brachte ihn tiefer, im Lieben, aber auch in seiner Poesie, in der er sich als einzigem wiederfand. Der 24 jährige nahm sich am 30. September 2014 das Leben und sprang aus einem Fenster eines Einkaufshauses, das, im Gegensatz zu vielen anderen, noch nicht mit einem Sicherheitsnetz umzäunt war, wie ein Zoo, in dem die Wärter die verschreckten Tiere vor der Flucht bewahren wollen. Licht sprang und fand wieder zu sich selbst, eine traurige Wahrheit, die am Wochenende in einer Reportage in de SZ zu lesen war. Die Umstände in den chinesischen Großkonzernen, in denen wir unser Apples und iPhones fabrizieren lassen, sind mir durchaus bekannt, aber daran denken tut man nicht ständig, erst recht nicht beim nächsten Kauf. Da muss einen dann erst das Wort wieder aufrütteln und verstummen lassen.
Wenn ich so etwas lese, möchte ich, und das klingt naiv, die Revolution anzetteln oder im Boden versinken und den Kopf schütteln. Ein Gefühl von taubem Unverständnis, das einen lähmt und von Ärgernis, die einem Kraft gibt. Und durch das Unverständnis fühlt man sich auf einmal auch wieder mit der Welt verbunden, erwacht aus den Gedankenwelten, in denen man sich üblicherweise befindet, aus den Welten, in denen man arbeitet oder lebt. Diese sind gut und wichtig und auch notwendig, damit eine Welt so funktioniert, wie sie funktionieren kann oder könnte, aber plötzlich fühlt man sich hilflos oder ohnmächtig allem gegenüber, möchte Fragen stellen, Antworten hören und eigentlich nochmals Fragen stellen, da die meisten Antworten keine Antworten sind, sondern nur Aufschübe.

Ich schluckte einen eisernen Mond
Sie nennen es eine Schraube
Ich schluckte die Fabrikabwässer
Die Arbeitslosenpapiere
Die Jugend, vor die Maschinen gebückt
Stirbt vor ihrer Zeit
Ich schluckte die Schufterei
Ich schluckte das verrostete Leben
Jetzt kriege ich nichts mehr runter
Alles, was ich geschluckt habe
Quillt aus meinem Rachen hervor
Ergießt sich über dem Land meiner Vorfahren
In ein schändliches Gedicht


Gedicht von Xu Lizhi (das dieser nun im Nachhinein als einen der großen der chinesischen Poesie gefeiert wird, ist auch immer wieder erstaunlich, postmortem erst erwachen die anderen zum Leben oder er vielleicht auch, der im Grunde gar nicht herauswollte vielleicht aus seinem Leiden)

5/25/2015

manchmal

liest sich dieser Blog wie ein Tagebuch aus einer anderen Zeit. Effektiv sind vergangene Jahre wohl auch andere Zeiten, aber trotzdem fragt man sich manchmal, für wen und aus welcher Motivation heraus man eigentlich 2011 einen Eintrag zu "Filmkunst 66" geschrieben hat? Alles in sich Aufsaugen und Sehen und Verarbeiten, gleichzeitig am Besten und dann auch noch etwas für sich daraus destillieren, wie soll das gehen? Es mag sein, dass dieser Blog irgendwann langsam verstummt oder sich monothematisch um andere Achsen dreht, aber er wird wohl immer ein irgendwie, und wenn auch nur für den Schreiber selbst, interessantes Erinnerungsstück bleiben, während man selbst seine Bewegung weiterdenkt und versucht die Bilder&Dinge zu choreographieren, die man die ganzen Jahre über gesammelt hat.
David Lynch, Sans titre, sans date © David Lynch

1/03/2015

schrullen

Schrullen, Schrullen muß man haben, und den Mut muß man haben, mit seinen Schrullen zu leben. So lebt sichs nett. Es darf keiner Angst vor seinem bißchen Wunderlichkeit haben.  Robert Walser (1916)

Ich entdecke gerade Robert Walser als den idealen Lektüregesellen zum neuen Jahr. In seiner zugleich wunderbaren, wundersamen, tanzenden Prosa, die ebenso tragisch, dunkel und herzzerreißend sein kann, schrieb er für uns auf, wie man es nimmt oder nehmen kann, das Leben. Susan Sontag schrieb über ihn, dass er sich immer am Rand eines Abgrunds befand, an dem er seine Texte verfasste, aber von diesem hat er sich auch immer ebenso charmant und keck wieder entfernt, dem Schlimmem hat er nur einen Streich spielen wollen, denn stärker war er mit seinen Wortarabesken allemal. 

1/01/2015

2015


"Das Leben ist eine Rose, und ich will recht prahlen und mir einreden, daß es mir gelingen wird, die Rose zu pflücken. Donnernd stürzt die Erde mir vor die Füße. Der Himmel zeigt da und dort ein schüchternes kleines bißchen Blau. Ich will das für ein gutes Zeichen halten. Welt: ich will mit dir kämpfen. Soeben komme ich vom Erleben, und jetzt reise, reite, fahre und wandere ich weiterem, fernerem Erleben entgegen. Lebhaftes Leben und lebhaftes Erfahren, seid mir schönstens willkommen. So ist's schön: etwas aushalten muß man, etwas ertragen. Durch munteres, kräftiges Dulden wird das Leben spielend leicht. Also hinein in die Wellen als guter unverzagter Schwimmer. Mir scheint, daß ich soeben einiges überstanden habe und daß ich nun mit festen Schritten und mit festem Blick vorwärtsmarschieren kann." Robert Walser, Tobold (II), 1917

12/05/2014

***

metro-conversation

(what ever you like)
...
she: is this the end?
another she: no, this is the beginning.
...
(what ever you like)

7/25/2014

Fenster auf

"Herr Janosch", fragt das Zeit-Magazin, "wie kommt man am besten in den Urlaub?"
- Wondrak fliegt selbst. Das ist günstig und ganz einfach: die Schultern hochziehe, mit den Augen flimmern, mit den Händen flattern. Das Fenster muss man VORHER öffnen. Klar.
wir später ausprobiert, ansonsten so:
"The Flying Lighthouse of Barfleur" by Alex Pickup, via the publicdomainreview,  CC-BY-SA license

4/26/2014

zeitpresse/presse temps


"matter is time" kritzelte maya deren auf ein paar notizblätter nach einer vorlesung des anthropologen gregory bateson. wenn zeit materie ist, kann ich dann meine zeit auch pressen wie diese neuköllner orangen und ein bisschen mehr davon bekommen?
"matter is time", voilà ce que gribouillait maya deren sur une feuille de notes après avoir entendu parler l'anthropologue gregory bateson. si le temps est une matière, est-ce que je peux en avoir un peu plus en le pressant façon jus d'orange?
(mehr orangen/plus d'oranges)

2/24/2014

always forward-walk

Filmstill Walker, Tsai-Ming-liang, 2012 avec Lee Kang-sheng
Ein entschläunigter Körper durchquert die Massen von Hong Kong und sticht doch durch seine minimalisierte Bewegung aus Ihnen heraus. Wie sehr kann man die Bewegung des Gehens herunterschrauben und ist es dann noch Gehen oder nicht eher eine Art Tanz der Langsamkeit?

2/09/2014

dieses Kribbeln

in der Nase, wenn es langsam nach Frühling riecht, einen die Sonne kitzelt und die Gesichter der spazierenden Menschen auf der Straße anders aussehen als sonst ... das gab es heute am Kanal und erinnerte mich an das Gefühl, das sonst erst viel später kommt und das ich im letzten Jahr versucht habe, in seiner dionysischen Form zu fassen:
ce fourmillement dans le nez, quand l'odeur printanière arrive, quand le soleils nous chatouille et quand les visages des gens se promenant semble changer ...  voilà ce qui s'est passé aujourd'hui en bord de canal et m'a rappelé un sentiment qui habituellement n'arrive que bien plus tard et que j'ai tenté de formulé dans son apparence dionysiaques l'année dernière (article uniquement publié en Allemand):

Ein dionysischer Spaziergang

Ein Rasen, das mit einem unangekündigten Stolpern beginnt: jedes Jahr überkommt mich ein Gefühl, das immer dasselbe bleibt und meinen Körper doch immer wieder unerwartet packt. Es bewegt sich etwas in mir, der Bauch ist leicht und unruhig, ja, der Körper stolpert. Ich kenne das Gefühl, nur habe ich jetzt nicht damit gerechnet. Die ersten lauen Sonnenstrahlen ziehen mich hinaus in die Welt. Es ist so, als fahre der antike Gott Dionysos in mich hinein. Der Gott des Weines, Gott des leidenschaftlichen Rausches, der von tanzenden Weibern umringt wird. Ich selbst werde von Geistern begleitet, als ich die Treppe heruntergehe. Er treibt mich an, zum ersten Spaziergang des Frühlings. Jedes Jahr fühlt es sich an wie das erste Mal.

12/23/2013

netzurlaub

Berlin, S-Bahnhof Hermannstraße

"Ich habe eine Frage, die kann man glaub ich gar nicht lösen, das ist eine ganz ganz schwierige. Wieviele Erwachsene gibt es auf der Welt und wie viele Kinder? Also wieviele Omas und Opas und wieviele kleine Kinder?"

"Das weiß ich auch nicht, aber das lässt sich ja rausfinden: Internet"

die Zeit der kreativen Antworten ist wohl definitiv vorbei...

12/08/2013

***

Tänzer der offene Stunde im Studio Laborgras

"Je peux dire et je dirai tout à l'heure que ce qui compte c'est d'être humain et simple. Non, ce qui compte, c'est d'être vrai et alors tout s'y inscrit, l'humanité et la simplicité." 
"Je tiens au monde par tous mes gestes, aux hommes par toute ma pitié et ma reconaissance. Entre cet endroit et cet envers du monde, je ne veux pas choisir, je n'aime pas qu'on choisisse.
                                                                         Albert Camus, L'envers et l'endroit, 1958



11/28/2013

***

Zwei Wochen und zum Glück habe ich (noch) keine Gardinen. Bloß die Frage nach den richtigen Balkonpflanzen für den Winter wurde noch nicht gelöst. Wenn es soweit ist, werden hier auch wieder die existenziellen Fragen gelöst und ich widme mich erneut visuellen und bewegten Ab- und Tiefgründen. Bis dahin ein Aufruf: Gaga, nicht sein, sondern tanzen, nach Ohad Naharin, dem israelischen Choreographen, über den es bald eine Dokumentation geben wird. Und auch in Berlin ist der Ruf bereits angekommen. Bald mehr dazu.

5/25/2013

die zeit steht still


aber nur hier, virtuell, ansonsten zieht sie weiter ihre Bahnen, unbeirrbar, dazwischen muss man sich eine Schneise schlagen, die Zeit ziehen lassen. Zeit einfangen, das war nur Tarkovsky in seinen Polaroids vergönnt, wie der Bildband "Lumière instantanée" (eine Art Lichtschnappschuss) beweist. Wenn sich die Morgensonne langsam am Fensterrahmen emporzieht oder er das Gesicht seiner Frau einfängt, wie es morgens erstrahlt, dann macht er die Zeit sicht- und fühlbar, durch Licht und Schatten. Die Personen und Dinge sind "in der Zeit". Ein Zustand, den man jeden Tag auf's Neue zu erlangen versucht, wenn man denn wüsste, was das ist, dieses In-der-Zeit Sein und dementsprechend auch In-der-Welt Sein, dass immer nur wird und nie ist, schwierig oder vielleicht auch ganz und gar nicht.

4/10/2013

***

Nur das, was vergänglich ist bleibt, so in etwa meinte es Ingmar Bergmann. Der argentinische Theater- und Filmautor Mariano Pensotti fragt sich in seinem Stück Cineastas/Filmemacher, ob nur das bleibt, was wir tun und all das vergeht, was wir sind? Das passt ganz gut zum Stadtnomadenleben, für das ich mich momentan entschieden habe. Paris liegt hinter mir, mit seinen Menschen, mit seinen Straßen und Gerüchen, Hausmann'schen Häuserreihen, Eindrücken und Bildern. Und bereits auf dem Rückweg überkam mich die Nostalgie und die Frage, ob ich denn überhaupt weg war und ob die Menschen, die meinen Weg gekreuzt haben und Bilder, die ich gesehen habe bleiben würden. Hatte ich alles gut genug in mir oder im Bild konserviert? Da kam mir Bergmanns Aussage gerade recht und als ich dann wieder im Ruhrgebiet ankam, mit seinen Zechen und rauchenden Schloten (die sich im Grunde von weitem wie Schlösser in der Landschaft positionieren, gleich einer rustikaleren Variant der Châteaux de la Loire), den Fachdachplatten und Glasfassaden, dachte ich mir, dass die einzige Möglichkeit, das, was ich gefunden hatte, was ich gesehen und wen ich getroffen hatte, umso mehr bleiben würde, wenn ich mich (auf Wiedersehen) verabschieden würde. Nun ist das natürlich nicht immer der Fall und nicht immer so einfach. Die Frage, was bleibt, das Tun oder das Sein, verbindet sich allerdings in ihrer Antwort. Im Gehen, im Schritt, ist immer der Vorangegangene noch enthalten und diesen Schritt könnte man nicht tun, wenn man nicht wäre, man selbst wäre und sich selbst zu dem Schritt bewegen würde.
en français

3/16/2013

***

"Ich vertraue Leuten, weil ich will, dass sie mir vertrauen. Ich höre ihnen zu, weil ich will, dass sie mir zuhören."
                                                                                                                        Dave Eggers, im Porträt der Seite Drei der SZ 

"Je fais confiance aux gens, parce que je veux qu'ils me fassent confiance. Je les écoute, parce que je veux qu'ils m'écoutent."
                                                                                                                       Dave Eggers, Portrait du journal Süddeutsche Zeitung

how to pick up a shoe

http://publicdomainreview.org/2012/06/18/correct-postures-for-housework-1920s/
les mouvements qu'on fait tous les jours, sont-ils naturels, appris? comment notre gestuelle se construit-elle?
dans les années 20s, miss ruth kellog s'est demandée comment une femme au foyer doit justement se tenir et bouger pour "faire ce qu'elle a à faire". elle a pris des photos de démonstrations de ce que sont les postures correctes à adapter pour le travail à la maison, ouvrir une fenêtre, faire la vaisselle, se baisser pour ramasser une chaussure...sur cette photo ci-dessus j'aime particulièrement les deux copines qui tiennent le tissu pour bien pouvoir distinguer miss kellog dans sa chemise blanche devant la porte blanche. à voir ça, j'ai plutôt mal au dos.

3/13/2013

"we don't really want what we think we desire"

"You know, happiness is for me a very conformist category.  It doesn't enter the frame.  You have a serious ideological deviation at the very beginning of a famous proclamation of independence -- you know, pursuit of happiness.  If there is a point in psychoanalysis, it is that people do not really want or desire happiness, and I think it’s good that it is like that."
Slavoj Žižek explique pourquoi il vaut mieux être intéressant que heureux
Slavoj Žižek erklärt mit rollendem R, warum man lieber interessant als glücklich sein sollte

3/12/2013

transformation subite

en une nuit, le regard par la fenêtre s'est transformé en ca...déluge (dû au conclave romain je suppose, signe de là-haut?!) l'ouverture de la fenêtre impossible, trop froid bien sur.
in einer nacht hat sich der blick aus dem fenster in das hier verwandelt...sintflut in schneeform (sicherlich dank des römischen conclavenbeginns, ein wink des himmels?!) fenster aufmachen für ein foto ob der kälte leider unmöglich.
Rue M., Paris © F. F. 

3/11/2013

***

une journée pour "regarder le temps s'envoler par la fenêtre" me disait un ami aujourd'hui et je suis bien d'accord. je préfère ma fenêtre et l'ouverture derrière elle qui m'en raconte plus que les visages des gens dans le métro, tous fermés, à double tours.
par contre je suis en train de me demander si ce n'est pas peut-être la voisine du 6ème qui secoue ses draps ou si vraiment, franchement, il neige?
Marché des Enfants Rouge, Paris © F. F. (so sieht der himmel aber mitlerweile nicht mehr aus/le ciel n'a plus l'air de ca par contre)
ein tag, um "der zeit dabei zuzusehen, wie sie aus dem fenster fliegt", sagte heute ein freund zu mir. in der tat schaue ich lieber aus dem fenster und auf das, was dahinter ist oder nicht ist. da geschieht mehr als in den gesichtern der mitfahrer in der metro, die sind verschlossen, mehrfach. (a propos gesichter, hans belting hat sich da ein paar sinnreiche, queerdenkenden gedanken gemacht)
obwohl ich mich beim blick aus dem fenster gerade eher frage, ob dahinter theater gespielt wird und vielleicht nur jemand im 6. stock seine kissen schüttelt, denn verdammt nochmal, schneit es gerade wirklich schon wieder?