«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

1/11/2013

presence

When you perform it is a knife and your blood. When you're acting, it's ketchup and you don't cut yourself.
© Shelby Lessig, Marina performing "Artist is present" at the MoMa in May 2010, Creative Commons: CC BY-SA 3.0
präsenz zeigen, anwesend sein, alle aufmerksamkeit kriegen und gleichzeitig geben. drei monate lang saß marina abramovic in der von klaus biesenbach kuratierten ausstellung the artist is present im new yorker moma den besuchern gegenüber, mehr als 760 stunden, jeden tag von morgens bis zur schließung des museums. die dokumentation von mathew akers zeigt nun den entstehungsprozess dieser retrospektive, in der die performerin ihre hauptwerke von 30 jungen künstlern "nachstellen" lässt (diese wurden zuvor in einer art "performance bootcamp" von abramovic selbst auf die physische und psychische höhe der aufgabe vorbereitet und an dieser stelle schon wünscht man sich, in den nächsten wald zu fahren, eine augenbinde aufzusetzen und stundenlang blind zu horchen.) 
marina abramovic, mitlerweile 66, wird von ihrem ehemaligen lebens- und performancepartner ulay als die grande dame der performancekunst angepesprochen, was ihr nicht wirklich passen will. heute will sie nur eins, nicht mehr alternativ sein, die performance aus ihrer "alternativität" herausholen, aber wohin? der film ist sehr emotional, klar, durch die emotionalität der protagonisten, der offengelegte gefühle immer schon teil ihrer kunstrealität waren. wer denkt, er sei nicht nah am wasser gebaut, könnte hier eines besseren belehrt werden. doch trotz aller inneren ruhe und positiven fragestellung über das eigene leben, verlässt man den kinosaal mit einem bizarren gefühl, dss sich dem rummel entziehen will und in gewisser weise dem störenfried zustimmt, der während der performance ein manifest von der moma-decke rieseln lässt. in dem sich die zuschauer der performance hingeben, dem spektakel, zudem die performance durch den medienrummel geworden ist, wird man da der künstlerin und ihrer kunst noch gerecht, wenn sich alles in zahlen, rekorden und marktwert errechnet oder verrät man sie? oder ist aber gerade das auch der sinn der sache? so könnte es lange hin und her gehen. abgesehen davon ist der film eine ergreifende, nahezu perfekte künstlerdokumentation, an erster stelle natürlich durch die persona von abramovic selbst und all dieser charismatischen männer, die sie geliebt hat oder liebt und die im grunde an ihr scheitern, denn sie liebt, natürlich, die ganze menschheit (und auch der film ist, nach der performance, ein stein mehr auf dem weg der theatralisierung, den die künstlerin, so ulay, eingeschlagen hat, seitdem sie sich getrennt haben. (jetzt würde ich zum vergleich gerne never sorry über ai weiwei sehen)


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