«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

9/27/2011

lebens(t)raum

in zeiten der massiven verbreitung urbaner lifestyle-tipps, spriessen diese, sowie blogs, videos oder fotoserien dazu wie pilze aus dem boden. ob mit todd selby im englischensprachigen internetraum, der auf the selby individuelle einrichtungen von künstlern, köchen und kulturell beflissener menschen zeig (es musste noch ein  her, entschuldigt) zeigt, oder die (zumal zu beginn) deutschsprachige seite freundevonfreunden, die sich ebenfalls dem wohn- und arbeitsinterieur schicker & évidemment hipper (berliner menschen) verschrieben hatte (mitlerweile müssen auch sie sich globaler zeigen, gehen nach london und paris und führen mehr interviews) oder das haptische magazin apartamento, ein "everyday life interior magazine". wie wollen wir leben? wie wichtig sind die räume, in denen wir uns tagtäglich aufhalten und wie richte ich diese möglichst individuel ein? viele benötigen zu besagter eigener individualität jedoch zunächst die inspiration der individualität der anderen. todd selby hat dieses bedürfnis zu nutzen gemacht und die visuelle darstellung anderer leute lebensraum perfektioniert, von messy-hippie schick bis bauhaus-klarheit porträtiert er jeden raum, meist in nordamerika. da manchem internetgänger aber auch noch das bewegungs- und tonlose bild nicht aussagekräftig genug ist, gibt es auch bei the selby ein videoformat. (und natürlich hat sich der erfolg herumgesprochen und es werden nicht mehr nur new yorker  kleingartenkulissen inszeniert, sondern auch socken großer kleidungshersteller). ein beispiel und ich gebe zu, mein traumbad (japanisch, war klar). bei the selby gefällt mir außerdem, im gegensatz zu anderen fotografen, die menschenleere der aufnahmen, da dise zwangsläufig gestellt aussehen und es vordergründig auch um den raum geht, an dem will sich der inspirationssuchende ja ein beispiel nehmen und nicht einer bestimmten person nacheifern:
© Todd Selby of theselby
die frage nach dem bedürfnis eines eigenen individuellen lebensraumes beantworten die herausgeber des apartamento magazins folgendermassen (nachdem sie sich gegen design hit-listen und tumblr fotoblog-inspirationswellen ausgesprochen haben): 
"A real living space is made from living, not decorating. A bored materialist can’t understand that a house has to become a home. It happens, not through perfection but by participation."
© apartamento magazine
gestern entdeckte ich nun zwei weitere formate, die sich weniger mit lifestyle effekt, als mit mehr yin- und yang-suche dem thema lebensraum widmen. auf arte creative präsentiert der initiator des FOLGE-magazins (ein videointerview-format, das im letzten jahr den "Spezialpreis der Jury Deutscher Webvideopreis 2011" gewann) die reihe 2 oder 3 Dinge, in der die arbeitsplatzumgebung kreativer (ein weites feld, aber gut) menschen porträtiert wird, denn arbeitsplatz ist heutzutage ja auch nicht mehr gleich ARBEITSplatz (die arg dramatische musik zu beginn hätte jedoch weggelassen werden können). bewegtbild nach dem click.
 
bei ignant stieß ich danach auf das duo von lost&found films, die in ihrem video-format This must be the place, genau, DEN ort vorstellen, den wir zu hause nennen, was bisher eine verrückt vollgestopfte wohnung eines japanischen künstlers in brooklyn und ein huckleberry-finn artiges holzhausareal im bundesstaat new york beinhaltet.

BYUN from thismustbetheplace on Vimeo.
ich selbst würde die eigenen vier wände manchmal gerne in einen einzigen alten lederkoffer pressen können und überall mit hinnehmen, bisher gelang mir das wirklich nur sehr mässig und die vier wände sind bald wieder über mehrere hundert kilometer verstreut...
auch fällt bei diesen ganzen visuellen inspirationsquellen eines immer wieder auf, die stilisierung des kreativen individuellen, die in gewisser weise auch angsteinflößend ist. was ist, wenn ich kreativ bin, aber nur im kollektiv oder aber ein ganz individueller typ, der sich nur einfach mit der eigenen kreativität schwertut (kommt  so rum wohl seltener vor zugegebenermaßen). muss ich dann um meinen lifestyle-status bangen?

1 Kommentar:

aene gespinst hat gesagt…

„es war so ne phase. man sah einfach gut aus und stand eloquent an irgendwelchen powerpoints.“
:D

ich glaube, das problem mit dem kreativ sein fängt schon da an, wo man die menschen in „die kreativen“ und –was eigentlich? - den rest einteilt. als ob man nur kreativ sein könnte, wenn man s.o. gut aussehend & eloquent in bewusst manierierten (wie er sagt) bauhausbuden rumhängt.
das zitat oben könnte eigentlich genauso gut zu einer unternehmensberatung passen, und die würde man ja auch nicht als kreativ bezeichnen. mh, macht das gerade sinn?