«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

7/04/2012

aus der höhle - in die höhle

am vorvergangenen Wochenende war ich im 104, dem großen "Raum für Kunst", Leben, Kulture, Kreation, Gemeinschaft des 18. und 19. arrondissements. Einer meiner liebsten Orte, da man ohne Ziel hingehen, umherirren, flanieren kann, bei schönem Wetter im Hof zwischen den Hallen des von 1905 bis 1998 als riesigem Bestattungsinstitut genutzten Gebäudes. Zwischen modernen Metallkonstruktionen und alten Mauern hat man das Gefühl, dort in ständigem Wandel zu stehen, so auch die Programmation des 104. Neben Konzerten, Tanz, kulinarischen Festivals und Kunstinstallationen, vermietet die Organisation an die Bewohner des 18. und 19. auch Proberäume und Unterstüdtzung in Ihren eigenen künstlerischen Projekten, täglich kommen dort, da sich der Boden in der glasüberdachten Halle (rechts und links der Halle befinden sich noch ein rural-experimentelles Restaurant, eine empfehlenswerte Buchhandlung (im grunde Zwei, zählt man den draußen im Hof gelegenen leicht chaotischen Antiquar für Theater, Musik und Filmpublikationen noch dazu) und ein Emmaus-Flohmarkt, der wie das Wohnzimmer meiner großmutter aussieht) perfekt dafür anbietet, junge Breaktänzer, um zu trainieren, direkt neben der öffentlichen Qi-Gong Gruppe oder den Jongleuren, die auch noch einen Platz gefunden haben. Dazwischen Eltern in Liegestühlen und Kinder auf Rollern... die Beschreibung beende ich jetzt mal hier, das hört sich beinahe zu idyllisch an und das ganze völligst unprenzl'berg-mäßig und  entspannt. Hier macht in jedem Fall vor 2 Wochen auchd as Creators Project halt, ein Festival für Kunst und Technologie, das an mehreren Tagen in Paris stattfindet. Im 104 war die Intallation The Treachery of Sanctuary (= der Verrat des Heiligtums, der heiligen Stätte) des amerikansichen Viodekünstlers und Musikvideoregisseurs Chris Milk zu sehen:

Zwei Assoziationen schossen mir da natürlich gleich durch den Kopf. Zunächst, ganz klar,  Höhlenmalerei (Milk spricht von Lascaux, genauso gut kann man aber auf die Höhlen von Chauvet verweisen). Milk möchte dort anknüpfen, wo der Mensch von 40.000 Jahren aufhörte und die am Feuer erzeugten Schattenbewegungen mit moderner Technologie verbinden. Der Mensch steht hier nicht vor der Flamme, sondern vor einer weißen Leinwand, die Höhlenwand ersetzend. Unsere Bewegungen werden dann von Sensoren wahrgenommen und durch Codes auf der Leinwand in Animationen verwandelt: die Bewegung unseres Körpers als Sprach, in piktografische Sprache übersetzt.
Als zweite logische Folgeassoziation kommt einem das Höhlengleichnis von Platon in den Sinn, bien sur. Man kann die Installation als Gegenentversuch nehmen und sagen, dass der Mensch weiß, dass das, was er dort sieht, unecht ist, das er kein flügelschwingender Vogel ist und sich sein Körper nicht in abertausende kleine Vöge auflöst, wenn er sich bewegt. Man kann die "Höhle" betreten und sie verlassen, wann man möchte und besonders, man kann sie auch von der anderen Seiten, von Außen betrachten und danach "verstehen". Andererseits sind wir als die sich Bewegenden abhängig von den zuvor mit der Technologie abgespeicherten Bewegungen, die anscheinend nur eine bestimmte Anzahl verschiedener Figuren auf der Leinwand wiedergben kann.

und hier noch ein paar weitere Eindrücke aus dem 104...
Le 19ème, so kann Wohnblockbau auch aussehen, erinnert mich ein bisschen an Le Corbusier.





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