«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

1/03/2013

Nachwort mit Karma

"I am fascinated by water inside the earth, it is the core principle of the way I think and move, fluidity within form... and Bangladesh has an abundance of both water and earth... I am fascinated to search for and explore a story that addresses the tragedy and comedy of lives in Bangladesh."   
- Akram Khan
Seitdem ich im vergangenen Jahr (jetzt ja) für ein kleines Interview mit Akram Khan telefonieren durfte, habe ich eine ziemlich genaue Vorstellung, von der Ruhe, die Tänzer ausstrahlen können, ganz besonders er. Aussprache, Redegeschwindigkeit und Wortwahl wirken wie ein tief in sich ruhendes Karma, das sich in seinen kraftvollen und berührenden Choreographien wiederspiegelt, obwohl seine Bewegungssprache nicht unglaublich groß ist und sich auf wenige Elemente beschränkt, die immer wiederkehren. Das mag nun nach sehr viel Pathos klingen, aber das soll es auch.
Khan hat sich 2011 mit dem Stück DESH eine Freude gemacht, so etwas kann man sich als Tänzer und Choreograph nur leisten, wenn man einen gewissen Status erreicht hat. DESH erzählt seine Lebensgeschichte, die Beziehung zu seinem Vater, seiner und dessen Herkunft und Erinnerung an die Heimat, Indien und genauer, BanglaDESH. Es ist ein Stück über Wurzeln, Grundstein von Khans Arbeit, ohne jedoch in der Vergangenheit hängen zu bleiben. Früher wollte er die Vergangenheit hinter sich lassen, jetzt will er sie zurückholen und mit seiner Gegenwart verbinden. Auf der Bühne entsteht dadurch ein großes Spektakel, jedoch subtil, ohne sich in Show zu verwandeln. Man erkennt Akram Khans Können im indischen Tanz, Kathak, genau so wie eine moderne Sprache, wenn er sich von den Alltagsgeräuschen des chaotischen Bagladeshs leiten lässt und sich zwischen die imaginären Autos und Menschenmassen wirft. Khan ist dabei zwar knapp 90 Minuten allein auf der Bühne, andererseits auch wieder nicht. Aus dem Off wird immer wieder eine Geschichte erzählt, verortet er sein Stück unterhaltsam, denn das soll DESH definitiv auch sein, im Hier und Jetzt, wenn von Terminplanungen und i-Phoneproblemen die Rede ist. Und dann, als weitere Mitspieler Licht, Ton und Setdesign. Wenn der Tänzer auf der Bühne einem riesigen, auf eine Leinwand projizierten Elefanten gegenüber steht und die dazugehörigen Baobabs emporklimmt, sieht man sich nicht mehr ein Tanzstück an, sondern ein modernes Märchen. Khan hängt von der Decke, umgeben von einem Dickicht aus weißen Lianen, auf denen sich das irrisierende Licht reflektiert und ein dumpfer Basston dringt uns bis zum Herzen.
Akram Khan, und bitte nun noch einmal mit voller Inbrunst und vollem Pathos, will durchdringen und teilen und tut dies mit übergreifender Leidenschaft. Wie hätte das Jahr besser enden können.

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