«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

6/19/2012

der große

italienische Regisseur Ettore Scola war vor 2 Wochen in Paris. Ich schreibe "der große", obwohl ich bisher noch keinen seiner Filme gesehen habe und das, obwohl er eine unglaubliche Anzahl an  realisiert hat, bis zu 40. Bei heute 80 Jahren ein Altmeister des Kinos, auch dies eine Formulierung, die sich immer schön in Artikeln lesen lässt. Mastroiani, Loren und beinahe auch Depardieu waren vor seiner Kameralinse. Zu dem FIlm mit letzterem kam es nicht mehr, da Scola 2011 entschied, keine FIlme mehr machen zu wollen, finde er sich doch in der Filmwelt heute nicht mehr zurecht. Wie viele Regisseure der 60er (siehe beinahe alle französischen Herren der Nouvelle Vague), ist auch Scola nicht direkt zum Film gekommen, sondern ist ein klassischer Cinéphile, der zunächst Jura studierte und dann beim Radio und bei einer Zeitung als Journalist und Karrikaturist arbeitete. Letzteres ist auch der Grund, neben der Verleihung der Grande Médaille de Paris, der Eröffnung des Festival de Cinéma Paris mit Charlotte Rampling und einer Sondervorstellung des Films Ein besonderer Tag in der Cinémathèque, weshalb er überhaupt herkam. Über die Jahre hat Scola eine große Anzahl an Zeichnungen und Karrikaturen angefertigt, die nun in der Galerie Christine Houard zu sehen sind. Une exposition particulière zeigt seine satirischen, humorvollen und auch melancholischen Zeichnungen, eine große Anzahl davon über Fellinis Werk und auch das bekannteste Bild zeigt diesen weiteren "großen" Italiener mit rotem Schal und Hut. 
Giles Jacob oder derjenige, der seinen Twitteraccount verwaltet, macht gleich einmal mit folgendem Bild (rechts) Werbung für die Ausstellung.
Ein Bild, das sofort auch an die Darstellung (links, von Toulouse-Lautrec) eines anderen "großen" Künstlers erinnert, Franzose diesmal, Aristide Bruant, Kabrattist, Sänger, Nachtschwärmer des beginnenden 20ten Jahrhunderts in Paris.
Scola horchte ich morgens auf France Inter im Interview mit Pascale Clark, in dem er mir noch sympathischer wurde, sagte er doch nach einer halben Stunde, dass es nun genug sei, er habe keine Lust mehr, zu erzählen und die Hörer würden sich doch sicherlichschon langweilen: "Nous avons fais une belle émission, merci et bon travail", déclare Ettore Scola. Provoquant l’étonnement de la journaliste arguant qu’il part pour les auditeurs qui en ont marre "après cinq minutes la radio c’est terrible, il faut changer.
Ich frage mich, ob er überhaupt wollte, dass seine Zeichnungen ausgestellt werden, scheinen es doch oft auch Momentaufnahmen, Gedankenfetzen zu sein, Ideen, die ihm zwischendurch kamen. Auf der Rückseite kann man häufig noch weitere Zeichnungen durchscheinen sehen. Meist hat er mit schwarzer Tusche gezeichnet und alles wirkt leicht aufs Papier gebracht, als wenn er nie etwas anderes gemacht hätte. Doch man erkennt auch den Regisseur in den Bildern, mit dem Blick fürs Detail, für das Wort und für das Arrangement der Szene. Wären Sie nicht für 5000€ im Verkauf, würde ich mir gerne welche in mein Zimmer hängen. 
Für Brutti, sporchi e cattivi (Die Schmutzigen, die Hässlichen, die Gemeinen) erhielt Ettore Scola 1976 den Preis für die beste Regie in Cannes.