«Je ne veux pas gagner ma vie, je l’ai.» Boris Vian, L'écume des jours

8/20/2012

Crack - danse en août #3

drei gestalten erkennt man im hinteren teil der schwarzen bühne, drei frauen. man erkennt nur ihre silhouetten und ab und an teile ihres gesichts und ihres harten ausdrucks, ansonsten bleiben sie schatten, flackernd und irrisierend, begleitet von elektronischer musik. 
die erwartungen an das stück "crack" des deutschen choreographen arco renz waren hoch, auch gerade wegen der thematik. 2009 kam renz das erste mal mit den tänzern der non-profit organisation amrita performing arts in phnom penh in kontakt und begann die arbeit mit den sechs jungen khmer-tänzern. hört man kambodscha, denkt man zunächst einmal an die pol pot-diktatur und die damit verbundenen massaker mehrerer millionen menschen. jetzt befindet sich das land auf dem weg in eine neue zukunft und die jungen menschen müssen gleichzeitig mit ihrem erbe umgehen und wollen sich der westlichen welt öffnen. während des pol pot-regimes wurde der khmer-tanz verboten und 90 prozent der khmer-tänzer, so ein arte bericht, auf den ich dank der berichterstattung des festival-blogs gestoßen bin, wurden ermordet. es gilt alles neu aufzubauene, aber mit einem blick auf die welt von heute. arco renz meinte selbst, er wollte nicht als lehrer mit den tänzern arbeiten, sondern in zusammenarbeit mit ihnen, zwischen seinem choreographischen raum und ihrem einen dritten raum konstruieren, in dem sie sich treffen könnten. es geht also um räume, neue räume und zeit, vergangene zeit und neue zeit. ein klassisches tanz-thema, wie auch die kritik des tanzblogs bemerkt. die erste reaktion auf den abend war zunächst ein stutzen, denn das, was auf der bühne geschah, war nicht das, was man sich vorher darunter vorgestellt hat: khmer-tanz, vermischt mit zeitgenössischen bewegungen, gruppen dynamik, formationen. renz und seine tänzer spielen jedoch mit dieser erwartung.
Arco reNZ / kobAlt works & AMritA PerforMiNg Arts
© Jean-Luc Tanghe

wenn man nach den ersten 5 minuten, in denen die tänzerinnen auf der bühne sehr langsam in beinahe krampfartigen bewegungen vorwärtskommen, wie in zeitlupe den körper wellenförmig verbiegen, den kopf nach oben richtung licht strecken und die finger auffächern, fragt man sich, wann denn endlich die explosion. und ja, es geht so weiter, es waren sicherlich 10 minuten, in denen in 3 abschnitten, immer dieselbe konstellation aus licht und tänzerinnen im halbschatten unsere konzentration testete. man musste auch genau hinsehen, um den khmer-tanz herauszufiltern. aber genau das gefällt mir im endeffekt. nach den frauen, waren drei männer an der reihe, bevor es mit einzelnen parts und zum schluss auch mit allen 6 tänzern auf der bühne weiterging und zum schluss mit einem, wenn auch tänzerisch etwas unspektakulärerem, solo endete, das von hip hop-musik untermalt wurde. wie ein verzweifelter versuch der tänzer und des landes, sich dem westen zu öffnen, etwas anzubieten und einen weg zu finden. weder resignation, noch euphorie sind am ende übrig, dafür aber eine kämpferisch erwartung, wie eine bereitstellung.
gerade das hinterfragen unserer erwartungshaltung gefiel mir. was wollten wir sehen: klar erkennbaren traditionnellen khmer-tanz? in verbindung mit klar erkennbarem, westlichem zeitgenössischem tanz? das wäre zu einfach gewesen und überhaupt, wieso müsste sich das eine dem anderen annähern? vielmehr entsteth hier eine fremde und befremdliche neue bewegungssprache, die aber die thematik, das kriegerische und den aufbruch der kambodschanischen jugend stark wiederspiegeln. die vergangenheit kommt hoch und sie scheinen auf der bühne mit ihrem erbe und ihren traditionen zu kämpfen. die sphärische elektronische musik von mark appart und das dämmerlicht, das zum ende von einer gräulich flimmernden projektion unterstützt wird, machen aus "cracks" eine etwas andere erfahrung und gerade deshalb auch ein bemerkenswertes stück. das ganze dann noch bei gefühlten 35° grad und stockender luft und man hat beinahe das gefühl, in kambodscha zu sein.
     Arco Renz, Kobalt Works - Crack (trailer) from Caravan Production on Vimeo.
asdasd

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