5. Tag auf der Berlinale, 1. Tag der Rückblicke
5ème journée de la Berlinale, 1ère journée de cette rétrospective
(Gastbeitrag von/Rédactrice invitée Kristina Lutscher)
Tag 1 – First Impressions
Fenster/Fenêtre Friedrichstadtpalast @ K. L. |
W imie... - Samstag 09.02.13,
Friedrichstadt-Palast, 9.30 Uhr, Regie: Malgoska Szumowska
Thematisierung von unterdrückter
Homosexualität in religiösen Gemeinschaften ist mittlerweile
filmisch erschlossenes Gebiet („Du sollst nicht lieben“ (2010)
ist Beispiel eines Erfolgs aus jüngerer Zeit). Ein schwuler Priester
in einem polnischen Provinzdorf sticht hier nicht als Neuland hervor.
Sein Arbeitgeber versetzt den an sich und der Welt zweifelnden
Jugendarbeiter Gottes von einem Ort zum nächsten sobald – wie
nicht anders zu erwarten – jemand von den weggesperrten Emotionen
Wind bekommt. Der Wettbewerbsbeitrag reiht bekannte und weniger zu
erwartende Szenen aneinander wie ein Bilderbuch, alltägliche
Praktiken inszenierter Männlichkeit und Klischees provinzieller
Machtstrukturen werden uncodiert in Bauarbeiten, Armdrücken oder
Fußballspielen inszeniert. Weshalb „In the name of...“ trotzdem
sehenswert war, entschlüsselt sich in den komischen Momenten, in
denen Bilder die Narration ironisieren und kommentieren oder die
Protagonisten sich urplötzlich von ihren bekannten Verhaltensmustern
lösen, beispielsweise in einer Jagd durch ein Maisfeld, während
der Priester Adam und Schützling Łukasz, zwei Primaten mimend, sich
irgendwo zwischen Albernheit und Liebesspiel bewegen. Das Ende
pointiert ambivalent und vielleicht zynisch den einzigen Ausweg
eines Homosexuellen in Zeiten gesellschaftlicher Unterdrückung: im
Priesterseminar, allein unter Männern.
Beilagen/Garnitures:
State 194 – Samstag 09.02.13,
Cinestar,14.30 Uhr, Dan Setton
Doku über Palästinas Versuch zum
194ten Staat der Vereinten Nationen zu werden. Im neoklassischen
Dokumentar-Stil zwischen historischer und aktueller found footage
Aufnahme, talking heads Interviews und klarer Windrichtung:
Optimismus trotz allem.
None Shall Escape (1944) , 09.02.13,
CinemaxX, 16.30 Uhr, Regie: André de Toth
Prophetische Inszenierung eines
Nazi-Schauprozesses bevor die Nürnberger Prozesse noch gedacht
worden waren. Filmisch ein hollywoodianisches Gerichtsdrama mit
narrativ unterstützenden Flashbacks, aber zwischendurch kurze
Anflüge von außergewöhnlicher Weitsicht, Lichtinszenierung und
einem unerwarteten V-Effekt zum Schluß.
Fynbos, 09.02.13, 20.00 Uhr, Cubix,
20.00 Uhr Regie: Harry Patramanis
Die herausragende Bildqualität und
Kamerainszenierung verdient mehr Aufmerksamkeit als ihr hier
zugestanden werden kann und die verschiedenen narrativen Elemente,
die sich nicht nur auf Handlungsfolgen beschränken, sondern auch in
der Landschaft, Architektur des Hauses, den Objekten und
Körperbeziehungen ausdrücken, können vom Zuschauer selbst
verschiedenst zu einem Erzählstrang geflochten werden. Eine erneute
Lektüre von Antonionis „L'Avventura“ (Hommage? Zitat? Remake?)
wird empfohlen.
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