Dernière carte postale de Berlin
Tag 5 - 6
Jours 5 - 6
Jours 5 - 6
ein Gastbeitrag / rédactrice invitée Kristina Lutscher
Die nennenswerten Sichtungen der
letzten Berlinale Tage knüpfen fast nahtlos an die Dokumentation
Fifi howls from happiness an. Politik und Kunst
dominieren den Fokus des Interesses. So beispielsweise in Helio Oiticica, Arsenal, 17.30 Uhr, 14.02.13, Regie: Cesar Oiticica Filho. Der Titel ist gleichzeitig Name des brasilianischen
Künstlers, dem diese Hommage gilt. Auch wenn der Begriff Collage hier schon verwendet wurde: in diesem Falle ist er besonders
zutreffend, denn ein Großteil des Films besteht aus Archivmaterial,
Audioaufnahmen und Fotografien, die wenigen eigens für ihn gedrehten
Szenen verschwinden im Sog dieser Bilder. Es wird explizit keine
Geschichte oder Biografie erzählt, sondern eine Annäherung versucht
an einen Künstler der so sehr sein künstlerisches Werk ist, wie er
eine Persönlichkeit ist.
Pardé (Closed Curtains),
13.02.13, 9.30 Uhr Friedrichstadtpalast Regie: Jafar Panahi
(Jafar Panahi, dem vom iranischen Regime die Ausreise, sowie die Arbeit verboten wurde, konnte nicht an der Berlinale teilnehmen. Jafar Panahi, interdit de sortir du pays et de travail par le régime iranien, n'a pu assisté à cette Berlinale)
(Jafar Panahi, dem vom iranischen Regime die Ausreise, sowie die Arbeit verboten wurde, konnte nicht an der Berlinale teilnehmen. Jafar Panahi, interdit de sortir du pays et de travail par le régime iranien, n'a pu assisté à cette Berlinale)
Die Kamera blickt durch eine Gitter auf
eine Straße am Meer, beobachtet die Ankunft eines Mannes. Er betritt
das Haus und wird es bis kurz vor Schluss nicht mehr verlassen.
Dazwischen kleine Ereignisse – es wird gebaut, zerstört und
repariert. Der Mann und sein geretteter Hund befinden sich im Exil,
denn Hunde sind in der Öffentlichkeit verboten, genauso wie allzu
ausgelassene Feiern, die eine junge Frau im Haus stranden lassen. Nach
und nach wird das teilweise unerklärliche Verhalten der Charaktere
narrativ plausibel, die Aktionen als komplexe aber nicht verwirrende
Handlungsabläufe dargelegt. Die drei Charaktere bevölkern das Haus
und den Geist des sich selbst darstellenden Regisseurs Jafar Panahi. Die symbolisch von der Iranischen Gesellschaft exilierte Kamera
verlässt nie das Gebäude, das auch außerhalb der filmischen
Wahrnehmung Panahi gehört, und schafft eine Räumlichkeit, die sich
über die Leinwand hinaus ausdehnt. Das Blickfeld fängt oft nur
einen kleinen, meist statischen Ausschnitt des Geschehens ein,
während sich Subjekte und Handlungen durch ihn bewegen oder nur
akustisch präsent sind. Die politische Ebene entfaltet sich erst
abschnittsweise und wird noch brisanter durch die erfolglosen
Proteste von Prominenten und Bittreden deutscher Politiker, den
Regisseur zur Berlinale ausreisen zu lassen. Scheinbar Reales und
scheinbar Imaginiertes werden so leicht verwoben, dass man sich etwas
erstaunt fragt was sich zuerst ereignete: der Film, oder die
politische Reaktion auf den Film, die in ihm dann wieder gespiegelt
wird.